Dezember 2019
Der Zustand der Weltwirtschaft ist beunruhigend. So vernahmen die Anleger in diesem Herbst mit Freude die ungeduldig erwartete Nachricht der Zentralbanken, dass erneut auf sie Verlass sei. 60 Prozent der Zentralbanken weltweit senkten im dritten Quartal ihre Leitzinsen – eine gemeinsame Anstrengung, die es seit 2009 nicht mehr gegeben hatte.
Da sich auch der Handelskonflikt zwischen den USA und China entspannte, konnten die Aktienmärkte nach dem Rückgang im Jahr 2018 auf neue Höchststände klettern. Natürlich erhöhten wir unser Exposure, um von der Dynamik zu profitieren. Dennoch hielten wir an unseren Investitionen in Wachstumsunternehmen mit hoher Transparenz fest. Diese starke Überzeugung muss erklärt werden.
In der finanzialisierten US-Wirtschaft hängen die Handlungsspielräume der Unternehmen und das Vertrauen der Verbraucher – die ihre Ersparnisse vor allem an den Finanzmärkten und weniger in Immobilien investiert haben – in hohem Maße von der Entwicklung der Finanzmärkte ab. Deshalb strebt die US-Notenbank offen steigende Indizes an, womit sie zu einer eindeutigen und treuen Verbündeten der Anleger geworden ist.
Angesichts dieser Unterstützung durch die Notenbanker geht die Erholung der Aktienmärkte folgerichtig mit einer Sektorrotation zugunsten eher zyklischer Sektoren sowie einem leichten Zinsanstieg einher.Wir erwarten nicht, dass dieser Konjunkturaufschwung sehr lange anhält. Das ist ein Grund, weshalb wir weiterhin auf Titel mit langfristigem Wachstum setzen.
Dank der Hilfen der Zentralbanken konnten sich die Staaten weiter verschulden und die Unternehmen trotz geringer Rentabilität weiter investieren. Eine Rezession verbot sich somit mehr und mehr, da sie eine Kreditkrise hätte auslösen können. So setzten die Märkte erneut darauf, dass die Zentralbanken das Nötige tun werden, um einen Absturz der Weltwirtschaft zu verhindern.
Allerdings ist hierfür ein Preis zu zahlen: Das Wirtschaftswachstum leidet zunehmend unter einer strukturellen Schwäche, die Zyklen werden immer kraftloser und kurzlebiger, und es gibt immer weniger Unternehmen, die ihre Gewinne in diesem Umfeld langfristig steigern können. Genau diese Unternehmen bevorzugen wir.
Durch diese Flucht nach vorn ist eine Art allgemeine Liquiditätsblase entstanden, die von einer spekulativen Blase klar zu unterscheiden ist. Die Märkte werden aktuell nicht von Gier getrieben, sondern vielmehr vom Bedürfnis der Sparer nach Anlagen, die eine angemessene Rendite bei einem akzeptablen Risiko bieten.
Dies zeigt sich auch in der zunehmenden Streuung der Wertentwicklungen:
An den Kreditmärkten konzentrieren sich die Mittelzuflüsse zunehmend auf Emittenten guter Bonität, während im High-Yield-Segment erste Ausfälle zu verzeichnen sind.
Auch an den Aktienmärkten verhinderte der Konjunkturoptimismus nicht, dass Growth-Aktien sehr hoher Qualität ihren Kurs fortsetzen, während günstige zyklische Titel mit großen strategischen Schwierigkeiten konfrontiert sind.
Inosfern hat die Liquiditätsblase, selbst wenn sie andauern und Finanzmärkte weiter von der wirtschaftlichen Realität abkoppeln sollte, in keiner Weise die Entwicklung von Werten mit besserer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit beeinträchtigt – ganz im Gegenteil.
Die langfristige Abschwächung, in deren Rahmen sich die Mini-Konjunkturzyklen abspielen, geht letztendlich logischerweise mit einem zunehmenden Druck auf die wirtschaftliche Rentabilität der Unternehmen einher. Das Gewinnwachstum aller Nicht-Finanzunternehmen in den USA ist seit zehn Jahren tendenziell rückläufig. In Europa und China ist ein ähnliches Phänomen zu beobachten.
So ist die Fähigkeit, über Konjunkturzyklen hinweg seine Margen zu erhalten, mehr denn je ein Differenzierungsmerkmal auf lange Sicht. Dies ist ein weiterer Grund für unseren langfristigen Verwaltungsstil.
Die Identifikation von Geschäftsmodellen, die über einen Zeitraum von fünf oder zehn Jahren ein sehr starkes Gewinnwachstum erzielen können, stellt aus unserer Sicht die zuverlässigste Methode für eine gute langfristige Performance dar. Diese Modelle sind bestens für relativ flach verlaufende Konjunkturzyklen und schwaches Wirtschaftswachstum gerüstet.
Wir sind überzeugt, dass die gesamte derzeit laufende technologische Revolution dieselbe Tragweite hat wie die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert und somit bedeutende Chancen für Unternehmen bietet, denen es gelingt, ihre Anwendungen zu monetarisieren.
Einige Aspekte, die in diesem Zusammenhang wichtig sind:
Die massenhafte Verbreitung von Smartphones hatte eine Explosion der nutzbaren Datenmengen zur Folge, was wiederum für Durchbrüche bei der künstlichen Intelligenz gesorgt hat.
Diese Fortschritte erhöhen das mittelfristige Potenzial von Virtual-Reality-Software, insbesondere in den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung und Videospiele.
Die technologische Revolution wird auch das Verhalten der Verbraucher und den Verkehr grundlegend verändern.
Diese Auswirkungen der technologischen Revolution geben eine Vorstellung davon, wie durch fundierte Analysen interessante langfristige Anlagemöglichkeiten ausfindig gemacht werden können. Genau diese Überzeugung liegt unserem Anlagestil zugrunde.
Für 2020 ist kaum mit einem Aufschwung zu rechnen, wie er 2019 zu verzeichnen war. Die allgemeine Blase ist mit erheblichen Risiken für die Märkte verbunden, auch wenn es keine Anzeichen dafür gibt, dass ihr Platzen unmittelbar bevorsteht. Ein Konjunkturaufschwung im Jahr 2020 würde voraussetzen, dass der US-Konsum und die Unternehmensgewinne nicht enttäuschen. Die Kreditbedingungen werden jedoch zunehmend verschärft und die Schaffung von Arbeitsplätzen gerät mehr und mehr ins Stocken. Außerdem müssten für einen Aufschwung die wirtschaftlichen, politischen und geopolitischen Unsicherheiten nachhaltig abnehmen.
Eine solche allgemeine Verbesserung halten wir für nicht sehr wahrscheinlich. Sollte es 2020 zu Turbulenzen kommen, könnte sich die Steuerung der Marktrisiken als wichtig erweisen. In diesem Umfeld ist unsere strategische Bevorzugung im Aktienuniversum für Growth-Aktien mit sehr hoher Transparenz keinesfalls banal, sondern ein bedeutender, äußerst anspruchsvoller Performancetreiber, der aus unserer Sicht wesentlich nachhaltiger ist als alle kurzfristigen Signale.
Quelle: Carmignac, Bloomberg, 29/11/2019