Dezember 2017
Vor einem Jahr präsentierten wir unsere Diagnose einer weltweiten Konjunkturerholung (Carmignac‘s Note vom Dezember 2016 – „Es kommt Wind auf“). Über diese Einschätzung freuten wir uns angesichts der positiven Aussichten für die Aktienmärkte: Sie ließ uns aber auch befürchten, dass diese Aufheiterung im Zuge einer ersten geldpolitischen Straffung durch die US-Notenbank die Anleihenmärkte im Jahr 2017 belasten könnte. Doch diese Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet. Die Konjunktur hat sich tatsächlich noch stärker als von uns erwartet erholt. Dieser positive Trend verbreitete sich sogar weltweit, denn die 35 OECD-Länder verzeichnen heute ein Wachstum. Doch trotz dieses unverkennbaren Konjunkturaufschwungs wirkten die Anleihemärkte wie versteinert. Ein aufschlussreiches Beispiel: Die Renditen deutscher Staatsanleihen liegen heute auf exakt demselben Niveau wie am 1. Dezember 2016, und zwar bei nur 0,36 Prozent, während sich das jährliche Wachstum der deutschen Wirtschaft von 1,8 Prozent auf 2,8 Prozent beschleunigen konnte. Die wichtigsten politischen Termine in der Eurozone sind zudem positiv verlaufen und die EZB hat bestätigt, dass sie ihr Anleihenkaufvolumen ab Januar 2018 von monatlich 60 auf 30 Milliarden Euro herunterfahren wird.
Die nach wie vor wohlwollende Unterstützung der Zentralbanken zugunsten eines weltweiten Wirtschaftswachstums ohne ein Wiederaufflammen der Inflation, hat das Vertrauen der Anleger auf beispiellose Höhen getrieben. Unter diesem Gesichtspunkt hat sich die stark indexgebundene Vermögensverwaltung in diesem Jahr wieder als gewinnbringend und das Risikomanagement von Marktrisiken als überflüssig erwiesen. Das sogenannte Kassandrasyndrom begleitet uns allerdings nach wie vor . Wir erinnern uns vielleicht, dass in der griechischen Mythologie nicht die zumeist eintreffenden Vorhersagen der Kassandra das Problem sind, sondern die Weigerung der Anderen auf diese zu hören, bzw. rechtzeitig zu handeln, bevor diese sich bewahrheiten.
Für 2018 geht es vor allem um eine adäquate Einschätzung der Zukunft: Aktuell befindet sich das Marktumfeld noch in einem idealen Zustand, aber wie geht es weiter, sobald der Konjunkturzyklus und die Normalisierung der Geldpolitik weiter voranschreiten?
Als der Markt kurz nach dem britischen Brexit-Referendum im Juni 2016 den Gipfel seines Pessimismus im Hinblick auf das europäische Projekt erreichte, begann die Konjunktur in der Eurozone in Wirklichkeit gerade erst wieder anzuziehen. Mit Unterstützung des glücklichen Ausgangs der französischen und niederländischen Wahlen konnte der Euro Stoxx dann seinen Aufwärtstrend beginnen und über die vergangenen zwölf Monate um 17 Prozent zulegen, zu denen man aus der Sicht der Anleger jenseits des Atlantiks noch die 14 Prozent Aufwertung des Euros hinzurechnen muss. Heute liegen die nach wie vor bestehenden Risiken in der Kraft, mit der die Reformbemühungen in Frankreich vorangetrieben werden können. Zudem gibt es nach wie vor Risiken mit Blick auf eine mehr oder weniger pro-europäische Ausrichtung der künftigen deutschen Regierung, sowie den innenpolitischen Problemen, mit denen Spanien und Italien umzugehen haben. Das systemische Risiko hat sich in Luft aufgelöst, denn das Gerede über einen Ausstieg aus dem Euro ist verstummt.
An den Börsen einen Nutzen aus dieser wirtschaftlichen Aufheiterung in Europa zu ziehen, wird sich 2018 jedoch als schwieriger erweisen. Denn der Umsatz der großen europäischen Konzerne ist stark international geprägt, sodass sie für einen europäischen Konjunkturaufschwung relativ unempfindlich und eher den negativen Auswirkungen eines stärkeren Euros auf ihre Ergebnisse ausgesetzt sind (siehe weiter unten). Die Aktienkurse von Unternehmen mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung, die enger mit dem Wirtschaftsaufschwung in Europa verzahnt sind, haben sich ihrerseits in den vergangenen fünf Jahren im Durchschnitt bereits verdoppelt (zweifache Performance des Euro Stoxx). Und die effektive Reduzierung der Anleihenkäufe durch die Europäische Zentralbank ab Anfang nächsten Jahres wird letztendlich die Frage nach ihrer konkreten Auswirkung auf die Zinsen und damit auf alle Bewertungen der Märkte aufwerfen.
Wir bleiben bei unserer Einschätzung eines strategisch abwärts tendierenden US-Dollars
Man muss Donald Trump zugutehalten, dass es ihm gelungen ist, das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen über unsere Erwartungen hinaus zu beflügeln, indem er die Hoffnung auf eine wagemutige Steuerreform schürte. Doch in den USA wird es noch schwieriger sein als in Europa, dem weiter entfernten Traum nachzuhängen. Ein gewisses Maß an steuerlichen Reformmaßnahmen wird es sicherlich geben; das ist aber zumindest zum Teil bereits berücksichtigt. Der Konjunkturzyklus dürfte daher letztendlich sein Recht einfordern, indem er schon in der ersten Jahreshälfte die ersten Anzeichen einer konkreten Schwäche erkennen lassen dürfte. Paradoxerweise ist diese Entwicklung nicht dergestalt, dass sie eine relative Underperformance des amerikanischen Aktienmarktes nach sich ziehen wird. Denn auf diesem findet man die meisten großen Wachstumsunternehmen mit hoher Transparenz: In Europa gibt es nichts Vergleichbares zu den amerikanischen GAFA-Unternehmen, die ihm im Falle einer Konjunkturschwäche wieder einmal seinen defensiven Charakter verleihen werden. Zudem lässt dieses Umfeld eine besonders vorsichtige Normalisierung der Gelpolitik erwarten.
Daher liegt das Risiko eher in der Währung, sodass die Fed bei einer Enttäuschung auf wirtschaftlicher Seite wahrscheinlich ihren Ehrgeiz zurückstecken muss, ihre Bilanzsumme zu reduzieren und ihre Leitzinsen in vier Schritten anzuheben. Zu dieser Liste von Hürden für den Wert des Dollars gesellt sich die Aussicht auf eine Verschlechterung der Entwicklung der Staatsschulden, die eine Abstimmung zugunsten der geplanten Steuerreform in der derzeitigen Lage hervorrufen würde. Diesbezüglich sei erwähnt, dass 2017 das dritte Jahr in Folge war, in dem sich das amerikanische Haushaltsdefizit trotz einer wachsenden Wirtschaft verschlechtert hat. Demzufolge bleiben wir, abgesehen von technischen Verschnaufpausen, die von einer für den Dollar günstigen Zinsdifferenz gegenüber Deutschland begünstigt werden, bei unserer Einschätzung, dass es zu einem strategischen Abwärtstrend des US-Dollars kommen wird (Das entspricht unserer Analyse von Anfang 2017. Siehe Carmignac‘s Note vom März 2017 „Wirtschaft und Politik sitzen im selben Boot“). Diese Aussicht auf eine Dollarschwäche stellt einen leichten Gegenwind für die europäischen Aktienmärkte dar, während sie ein positives Bild für Anlagen in Aktien, Anleihen und Währungen des Schwellenländeruniversums zeichnet.
Nach fünf Jahren Underperformance an den Börsen, dürften die Schwellenländer ihre Dynamik der vergangenen beiden Jahre bestätigen
Der starke steuerliche Anreiz, der die chinesische Wirtschaft seit Anfang 2016 angekurbelt hat, wird nunmehr logischerweise reduziert. Die Chinesische Volksbank möchte ausdrücklich ihre Bemühungen um die Verringerung des systemischen Risikos fortsetzen: Diese beinhalten eine Reduzierung der Verschuldung, strengere aufsichtsrechtliche Bestimmungen sowie eine Kontrolle des „Shadow Banking. Es ist daher ab 2018 in China mit einer leichten Abschwächung der Industrieproduktion und der Bautätigkeit zu rechnen. Dies wird sich weltweit vor allem auf die Rohstoffnachfrage auswirken. Die neue Wirtschaft wird hingegen weiterhin ihren Beitrag zum Wirtschaftswachstum Chinas erhöhen. Zunächst einmal setzen die Fundamentaldaten des Schwellenländeruniversums außer China ihren Gesundungsprozess fort (höchster Stand der Leistungsbilanzen seit der Krise von 2008, Frühindikatoren der Wirtschaft, PMI Composite auf dem höchsten Stand seit 2013). Nach fünf Jahren unterdurchschnittlicher Entwicklung der Börsen von 2010 bis 2015, dem Zeitraum, in dem die Intervention der Zentralbanken in den Industrieländern diese für Anleger interessanter machten, dürften die Schwellenländer folglich ihre Dynamik der vergangenen beiden Jahre bekräftigen.
Daraus ergibt sich, dass das Risiko für die Märkte im Jahr 2018 nicht vorrangig in den weltweiten Wirtschaftsaussichten zu sehen ist, die wir für gering halten. Wir glauben in diesem Stadium eher an eine leichte Abschwächung des Konjunkturzyklus in den USA und in China, die sich nach und nach auf Japan und Europa ausweiten dürfte. Zudem könnten sich die Zentralbanken, wenn die Inflation gering bleibt, wovon wir ausgehen, weiterhin akkommodierend zeigen.
Die Anfälligkeit der Märkte findet sich anderswo: Sie ist zum einen in dem enormen Maß an Vertrauen der Anleger begründet: Dieses spiegelt sich in den historisch engen Kreditspreads, der extremen Volatilität der Märkte und in deren extrem hohen Bewertungen wider und lässt dabei wenig Spielraum für Überraschungen. Zum anderen hängt sie mit der Bedeutung zusammen, die passive Verwaltungsstrategien nach mehreren Jahren der Hausse-Märkte gewonnen haben, sowie mit den Hedgefonds, die eine starke Hebelwirkung nutzen. Nach Schätzungen machen ETFs nämlich heute bis zu 70 Prozent der täglich verarbeiteten Aktienvolumen aus. Die Vermögen der quantitativen Verwaltung der Hedgefonds haben sich ihrerseits seit 2009 verdoppelt und belaufen sich heute auf 400 Milliarden Dollar. Das Hauptrisiko für die Märkte besteht darin, dass eine einfache Schwingung um das von den Anlegern vorgesehene ideale Szenario mittlerweile brachiale „mechanische“ Gewinnmitnahmen auslösen kann.
Zusammengefasst präsentiert sich 2018 als ein Zeitraum, in dem sich das Generieren von Performance stärker auf die wirtschaftlichen Fundamentaldaten stützen kann, in dem aber andererseits mit Volatilitätsschüben gerechnet werden muss, die die Märkte nicht mehr gewohnt sind.
Quelle: Bloomberg, 28.11.2017