Obwohl der Juli ein Urlaubsmonat ist, verlief er alles andere als ereignislos. Die Zentralbanken der westlichen Länder schienen zunehmend bereit, ihre Geldpolitik rasch zu straffen. Die US-Notenbank Federal Reserve erhöhte die Zinssätze den zweiten Monat in Folge um 75 Basispunkte, die Bank of Canada nahm eine Zinserhöhung um ganze 1% vor und die Bank of Australia wird die Zinsen zum dritten Mal in Folge um 50 Basispunkte anheben. Die Europäische Zentralbank überraschte die Märkte mit einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte (erwartet wurden 25 Basispunkte). Dieser unerwartete Zinsschritt erfolgte zu einem heiklen Zeitpunkt für die europäische Wirtschaft. Im Monatsverlauf reduzierte Russland seine Gaslieferungen an die europäischen Länder drastisch, wodurch der Gaspreis deutlich anzog. In Italien trat Premierminister Mario Draghi nach dem Verlust seiner Regierungsmehrheit zurück, was die politische Unsicherheit in der Region weiter verstärkte. Darüber hinaus zeigt das europäische Wachstum Anzeichen von Schwäche, wie der Composite-Einkaufsmanagerindex mit einem Wert von unter 50 veranschaulicht – ein Anzeichen für einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit. In den USA lieferten die BIP-Daten zum Monatsende die Bestätigung, dass sich das Land im ersten Halbjahr in einer technischen Rezession befand. Der widerstandsfähige Arbeitsmarkt und das relativ stabile Konsumverhalten (vor allem im Dienstleistungssektor) geben jedoch Anlass zur Hoffnung. Allerdings deuten diese „positiven“ Anzeichen gleichzeitig auf eine anhaltende Inflation hin und lassen eine weitere Straffung der Geldpolitik ungeachtet der schwächeren US-Konjunktur erwarten.
Trotz einer volatilen Nachrichten- und Datenlage entwickelten sich Risikoanlagen im Juli insgesamt positiv. Wie sich am Marktchaos in der ersten Jahreshälfte, insbesondere im Anleihenbereich, gezeigt hat, dauerte es ein halbes Jahr, bevor die Märkte die geldpolitische Wende verarbeitet hatten. Im Juli schließlich schienen die Anleger der Idee Glauben zu schenken, dass die Zentralbanken ihre geldpolitische Straffung im Einklang mit dem "whatever it takes"-Ansatz effektiv vorantreiben.
. In der Folge sahen die Märkte über die seit Jahrzehnten nicht mehr so hohen Inflationszahlen hinweg. Sie stellten sich auf ein Umfeld mit höchstwahrscheinlich weiter (wenn auch langsamer) steigenden Preisen ein, in dem das Wachstum jedoch sehr viel niedriger ausfallen wird. Die Märkte gehen offensichtlich davon aus, dass die Zentralbanken die Geldpolitik nicht so stark straffen müssen wie ursprünglich erwartet und dass sie die Zinsen im Jahresverlauf 2023 wieder senken werden, wenn der Abschwung sich deutlicher abzeichnet und die Inflation unter Kontrolle gebracht wurde. Dies könnte die im Juli beobachtete und ein wenig seltsam anmutende Einordnung schlechter Nachrichten als gute Nachrichten erklären. Negative Schlagzeilen bedeuten nämlich, dass wir einem Umschwenken der Zentralbanken einen Schritt näher gekommen sind, was die Performance von Risikoanlagen unterstützt. Sicherlich trug auch die äußerst pessimistische Stimmung und Positionierung der Anleger dazu bei.
Unseres Erachtens unterschätzen die Märkte die Beständigkeit der derzeitigen inflationären Kräfte sowie ihre Auswirkungen auf die Dauer des Straffungszyklus. In den USA übt der Immobilienmarkt, der bereits schwächelt, weil sich die Menschen die Immobilien (aufgrund der höheren Kosten für Wohnraum und Kredite) immer weniger leisten können, einen Aufwärtsdruck auf die Mieten aus. Die Folge sind wiederum steigende Verbraucherpreise. In Europa werden im vorherigen Rohstoffzyklus ausgebliebene Investitionen, Gasmangel, Steuerpopulismus sowie eine potenzielle Lohn-Preis-Spirale die Preise auch in Zukunft unter Druck setzen. Unterdessen facht der starke US-Dollar die Inflation sowohl in Europa als auch in den Schwellenländern weiter an. Aus diesem Grund behalten wir unsere insgesamt vorsichtige Positionierung, die sich durch ein geringes Aktien-Exposure, Kreditabsicherungen und hohe Barmittelbestände auszeichnet, bei.
Für aktive Manager gibt es jedoch viele Gründe für eine positive Einschätzung des derzeitigen Anlageumfelds. Zum Beispiel erhalten die Aktienmärkte, die vor dem Hintergrund der höheren Zinsen gefallen sind, nun wahrscheinlich Auftrieb durch die Erträge. Dies ist für eine fundamentale Bottom-up-Titelauswahl günstig. Die Anleihenmärkte bleiben vermutlich volatil, aber einige idiosynkratische Chancen bieten ein ausreichend hohes Carry, um Schwankungen auszugleichen, und das selbst bei einem pessimistischen Ausblick.
Bei den Aktien sind unsere Investitionen gleichmäßig auf Qualitätswerte in defensiven Sektoren wie den Basiskonsumgütern und dem Gesundheitswesen verteilt. Kürzlich eröffneten wir zudem eine neue Position in Centene (ein US-amerikanischer Gesundheitsdienstleister). Wir halten Anlagen in Energieunternehmen, die in den Worten von Olivier Le Peuch, CEO von Schlumberger „einen bedeutenden Wendepunkt markierten“, inmitten einer starken weltweiten Zunahme der Explorationsaktivitäten. Wir erhöhten unser Exposure in China deutlich, da sich das Land dank einer gemäßigten Inflation und einer günstigen Kombination politischer Maßnahmen in einer besseren Position befindet als andere Industrie- und Schwellenländer. Unsere Anleihenallokation ist nach Segmenten und Ländern diversifiziert. Angesichts der geringeren Wachstumsaussichten kombinieren wir High-Yield- und Investment-Grade-Unternehmensanleihen, insbesondere aus dem Finanz- und Energiesektor, Anleihen aus Schwellenländern, die Rohstoffe exportieren oder von einer positiven Onshoring-Dynamik profitieren, sowie Staatsanleihen aus Kernländern. Zwar hat die EZB-Präsidentin Christine Lagarde einen Volatilitätsmanagement-Mechanismus für Staatsanleihen der Peripherieländer – das „Transmission Protection Instrument“ (TPI; Instrument zur Absicherung der Transmission) – angekündigt. Aufgrund der unbekannten Details und der anhaltenden Straffung haben wir uns jedoch entschieden, weiterhin Absicherungspositionen auf italienische Schuldtitel zu halten.