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Gleichgewicht der Kräfte

April 2019

Veröffentlicht am
2. April 2019
Lesezeit
6 Minuten Lesedauer

Seit unserer Carmignac’s Note von Anfang März «Augmented Reality», sehen wir uns in keiner Weise dazu veranlasst, unsere Hauptbotschaft die Märkte betreffend zu ändern: Die von den Märkten 2018 zu lange ignorierte Kollision zwischen Konjunkturverlangsamung und restriktiverer Geldpolitik ist Vergangenheit und nicht mehr aktuell. Die Konjunkturverlangsamung setzte sich fort, doch die Zentralbanken erkannten die Zeichen der Zeit und lockerten ihren Kurs im März weiter. Die Aktienmärkte drückten diese Rückkehr zu einem besseren Kräftegleichgewicht aus und schlossen den Monat nahezu auf den Niveaus vom Monatsanfang (+1,4 Prozent beim Euro Stoxx 600, +1,1 Prozent beim S&P 500, +0,6 Prozent beim MSCI World). Die Entwicklung der Anleihemärkte spiegelt den nach wie vor nicht vorhandenen Inflationsdruck und auf radikale Weise die schlechten Nachrichten von der Konjunkturfront wider, die mit dem Ende der geldpolitischen Straffung einhergingen.

Zwischen der Hoffnung auf eine kräftige Konjunkturerholung wie 2016 und der Angst vor einem unausweichlichen Abgleiten in die Rezession, scheinen sich die Aktienmärkte eher mit der Aussicht auf höhere Wirtschaftsaktivität zu begnügen. Diese Aktivität stabilisiert sich auf mäßigen Niveaus und wird von der nach wie vor günstigen Geldpolitik getragen.

Die weltweite Konjunkturabschwächung ist unverkennbar

Abgesehen von China verlangsamt sich das weltweite Wachstum weiter. Die Frühindikatoren für den Konjunkturzyklus, insbesondere die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe, bleiben insgesamt schwach. Die schwache Aktivität in den zyklischen Industriesektoren wie Halbleiter oder Automobile zeigt, dass sich die Zyklen für die Ersetzung langlebiger Konsumgüter augenscheinlich verlängert haben. Im Hinblick auf China bestätigt uns eine Überprüfung, die im vergangenen Monat durch unsere Teams vor Ort vorgenommen wurde, worauf wir bereits in unserer Carmignac‘s Note von März hingewiesen haben: Wir sind zwar weit von der kräftigen Dynamik entfernt, die das Konjunkturprogramm von 2016 ausgelöst hatte, doch dem Land dürfte insbesondere im Industriesektor ein stabilisieres Wirtschaftswachstums gelingen.

Die Reaktion der Anleihemärkte auf dieses eher unspektakuläre Bild, das durch einen mittlerweile sehr vorsichtigen Kurs der Zentralbanken gefördert wurde, war heftig. Der Zinsrückgang auf zehnjährige US-Schuldtitel von 2,7 auf 2,4 Prozent und die Unterschreitung der symbolträchtigen Schwelle von 0 Prozent durch deutsche Bundesanleihen gleicher Laufzeit gegenüber +0,2 Prozent zum Monatsanfang, erinnern an die Anleihemärkte in dem Konjunkturumfeld zum Jahresanfang 2016.

Auch wenn das Verhalten der Aktienmärkte viel weniger drastisch war, verhielten sie sich vorsichtig, was die Konjunkturaussichten angeht. Auf diese Aussichten sollte trotz der Erholung der Märkte in den letzten drei Monaten hingewiesen werden. Denn für Europa und die USA fällt auf, dass sich die defensivsten Sektoren in den letzten sechs Monaten, also einem Zeitraum, in dem es auch zu dem Minicrash Ende 2018 sowie der Erholung Anfang 2019 kam, mit Abstand am besten behaupteten: Agrar/Lebensmittel sowie Versorger in Europa, die im Berichtszeitraum um mehr als 10 Prozent im Plus gegenüber -2,5 Prozent für den Euro Stoxx 600 lagen und Basiskonsumgüter sowie Dienstleistungen im öffentlichen Interesse in den USA mit einem Anstieg von 4 Prozent beziehungsweise 10 Prozent im Berichtszeitraum gegenüber -3 Prozent beim Index S&P 500.

Daher spiegeln die Märkte nun, da sich im März die ersten, noch sehr zaghaften Signale einer Umkehr zeigten, nach wie vor eine insgesamt sehr vorsichtige Einschätzung der Konjunkturaussichten wider. Neben den ersten konkreten Signalen für ein sich stabilisierendes verarbeitendes Gewerbe in China, verringerte sich auch der Anteil der Abwärtskorrekturen bei den durch Analysten geschätzten Unternehmensergebnisse leicht, auch wenn er insgesamt weiterhin sehr hoch ist.

Korrekturen der Schätzungen weltweiter Unternehmensergebnisse durch Finanzanalysten
Quelle: Bank of America Merrill Lynch, 31.03.2019

Für die Märkte geht es nun darum zu beurteilen, ob die Haushalts- und die Geldpolitik imstande sind, die Konjunkturverlangsamung einzudämmen.

Marktausblick

Für die Märkte geht es nun darum zu beurteilen, inwieweit die Haushalts- und die Geldpolitik, die nun eine günstige Aufholwirkung haben, imstande sind, die Konjunkturverlangsamung einzudämmen oder wie 2016 sogar umzukehren.

In der Haushaltspolitik ist das Bild insgesamt gemischt. In Europa ist die Lage relativ günstig, vornehmlich durch den gesellschaftlichen Druck in Frankreich, den politischen Willen in Italien und die wirtschaftliche Verschlechterung in Deutschland. Dort wird mit einem haushaltspolitischen Impuls von mindestens 0,8 Prozentpunkten des BIP gerechnet. In China dürften wie gesehen die Militär- und Infrastrukturausgaben, die vollständig von der Zentralregierung kontrolliert werden, nicht auf sich warten lassen. Zudem ist der Anstieg des Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in China auf mehr als 50 Punkte im März ein erstes Signal hierfür. Die Unterstützung der US-Konjunktur durch die Steuerreform von 2017 hält weiter an, dürfte in diesem Jahr jedoch nicht mehr als 0,6 Prozentpunkte des BIP ausmachen. Zudem ist durch die Rivalität zwischen der Trump-Administration und der demokratischen Kongress-Mehrheit neuen Schwung in Haushaltsfragen auf kurze Sicht nicht zu erwarten.

Die Dollar-Stärke belastet die Konjunkturerholung in den Schwellenländern

Für die Geldpolitik muss das Urteil ebenfalls positiv, wenngleich moderat ausfallen. Nach der Kehrtwende der US-Notenbank erklären sich die Zentralbanken weltweit mehrheitlich bereit, die Zügel bei Bedarf weiter zu lockern. Sie stützen sich hierbei auf die allgemein schwachen Inflationserwartungen. Dies gilt natürlich für die Europäische Zentralbank, aber auch für die Zentralbanken Neuseelands, der Schweiz, Brasiliens und Koreas, um nur einige zu nennen. Augenscheinlich ist der tatsächlich verfügbare Handlungsspielraum zumindest auf kurze Sicht mittlerweile sehr begrenzt. Die Fed muss ihr Programm zum Bilanzabbau bereits über mehrere Monate auslaufen lassen, um den Kurs ihrer Geldpolitik wirklich umkehren zu können. Hieraus resultiert eine Stärke des US-Dollar auf relativ hohen Niveaus, die die Konjunkturerholung in den Schwellenländern belastet. In der Eurozone wird Mario Draghi, der im Oktober aus dem Amt des Chefs der Europäischen Zentralbank scheidet und auf den durchaus ein konventionell ausgerichteter Kandidat folgen könnte, in den kommenden Monaten kaum kraftvoll agieren können. Die Bank of Japan ihrerseits hält bereits 80 Prozent des Vermögens von in japanischen Aktien investierten ETF!

Das Szenario einer anhaltenden moderaten Konjunkturverschlechterung in den kommenden Monaten ist daher plausibel. Sie dürfte, zumindest vorerst, mit nach wie vor wohlwollender, wenn auch kraftloser Geldpolitik einhergehen.

Diese Bedingungen können auf kurze Sicht ausreichen, um das Vertrauen der Börsenindizes in eine allmähliche Konjunkturerholung zu stärken. Das gilt umso mehr, falls die Handelsspannungen zwischen den USA und China sich positiv entwickeln werden und das Worst-Case-Szenario beim Brexit vermieden wird. Diese Hoffnung würde ihrerseits zu einer Konsolidierung der Anleihemärkte auf weniger extremen Niveaus beitragen, die jedoch nach wie vor durch sehr schwache Inflationsaussichten gestützt werden. Wie wir bereits im Vormonat erklärten: Die weitere Wertentwicklung der Fonds muss in den kommenden Monaten vielmehr über ausgewogene Portfolios, die einen leicht höheren Anteil an zyklischem Exposure beinhalten und die Auswahl von Titeln mit hoher Transparenz realisiert werden. Außgenommen hiervon sind externe politische Impulse.

Mittelfristig

2018 erinnerte daran, wie sehr die Aktienmärkte mittlerweile darauf vertrauen müssen, dass die Zentralbanken die Macht haben, den Anlegern die von ihnen gewünschte Liquidität bereitzustellen. Diese Abhängigkeit von der Geldpolitik wirft verstärkt die Frage nach der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit der Zentralbanken auf. Unter diesem Blickwinkel ist es besonders unangenehm, dass sich die Zuversicht der Aktienmärkte heute teilweise aus dem wiederholt gescheiterten Versuch der Zentralbanken, die Inflationserwartungen auf annehmbaren Niveaus festzuzurren, speist. Dieses Scheitern fördert, dass auf eine kontinuierliche Fortsetzung ihrer Reflationsbemühungen gewettet wird. Die sehr vorsichtige Positionierung der Märkte erlaubt es, auf kurze Sicht ein gewisses Risiko einzugehen. Insbesondere da sich in den letzten Wochen erste Signale für eine wirtschaftliche Stabilisierung abzeichneten. Aber das Gleichgewicht der Finanzmärkte und insbesondere der Devisenmärkte ruht auf einem grundsätzlich brüchigen Unterbau, der auf mittlere Sicht weiterhin eine hohe Wachsamkeit begründet.

Quelle: Bloomberg, 01/04/2019

Anlagestrategie
Aktien

Nach einem aufsehenerregenden Jahresbeginn stabilisierten sich die Aktienmärkte im März. Die US-Indizes schlossen das Quartal mit einer der besten Wertentwicklungen seit fast 10 Jahren. Auch wenn das Umfeld weiterhin durch eine weltweite Konjunkturverlangsamung und die politische Unsicherheit insbesondere rund um den Brexit gekennzeichnet ist, wirken die Vorsicht der Zentralbanken und die Konjunkturmaßnahmen in China stützend auf die Aktienmärkte. Vor diesem Hintergrund stellt die Titelauswahl weiterhin den Kern unserer Strategie dar.

Bei unseren langfristigen Investments sind wir im Thema der Entwicklung von Zahlungsmitteln positioniert. Auch wenn Bargeld noch das wichtigste Zahlungsmittel ist, lassen der wachsende E-Commerce und die veränderten Konsumgewohnheiten der „Millennials“ eine Trendumkehr erahnen. Unsere Anlagen wie Worldpay, PayPal und Visa sind in diesem Trend positioniert. Manche Segmente des europäischen Marktes, die von der deutlichen Verschlechterung der europäischen Indikatoren in den letzten Monaten getroffen wurden, wurden von den Anlegern vernachlässigt. Dies trifft auf den europäischen Bankensektor zu, der ein eher asymmetrisches Risikoprofil aufweist und in dem wir eine begrenzte Position und eine Optionsstrategie aufgebaut haben. Überdies bauten wir zum Ausgleich des zyklischen Exposures des Portfolios eine Position ausgewählten hochwertigen US-Industrietiteln auf.

Staatsanleihen gaben im März aufgrund der Vorsicht der Zentralbanken und der Konjunkturverlangsamung deutlich nach. Im Berichtszeitraum erhöhten wir die Gesamtduration unseres Anleiheportfolios ausgewogen zwischen Staatsanleihen der Industrieländer und riskanteren Vermögenswerten. In den USA fährt die US-Notenbank weiterhin einen weniger restriktiven Kurs und deutete eine Pause in ihrem Zinsanhebungszyklus an, um der Verlangsamung des US-Wachstums zu begegnen. Wir bevorzugen daher Strategien, die strikt jene Teile der US-Zinskurve auswählen, in denen wir investiert sein möchten.

In Europa zeigt der negative Zins für 10-jährige deutsche Anleihen, dass Anleger vorsichtig sind. Vor diesem Hintergrund begünstigt der moderate Ton der EZB die Einführung von Carry-Strategien, insbesondere in den sogenannten Halbkernländern wie Frankreich und Belgien und in den Peripherieländern.

Während wir in diesem bereits sehr lange andauernden Kreditzyklus voranschreiten, erwarten wir eine steigende Risikoaversion und eine größere Streuung. Dies veranlasst uns zur Beibehaltung eines insgesamt vorsichtigen Risikoprofils am Kreditmarkt. Unterdessen schafft dieses Umfeld idiosynkratische Chancen, die wir wie z. B. bei Altice nutzen.

An den Devisenmärkten wurde der Euro seit Jahresanfang durch die Unsicherheit rund um den Brexit und die schwächelnden europäischen Konjunkturindikatoren insbesondere in Deutschland abgestraft. Auch wenn der moderatere Kurs der US-Notenbank und die schwachen Fundamentaldaten der US-Wirtschaft zu einem schwächeren Dollar beitragen dürften, werden diese Faktoren durch die politische Unsicherheit in Europa und die nach wie vor günstige Zinsdifferenz wettgemacht.

Mangels einer durch die wichtigsten Währungen bestätigten direktionalen Sicht behalten wir daher ein begrenztes Wechselkursrisiko, indem wir eine Übergewichtung im Euro und ein begrenztes Exposure im Dollar und im Yen beibehalten. Die Entwicklung der Schwellenländerwährungen ist weiterhin teilweise durch die Entwicklung des Dollar bedingt. Manche dieser Währungen bieten ganz vereinzelt Chancen, allen voran in Asien und im Nahen Osten.

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