März 2020
Diese Krise ist eine völlig neue, eine nie dagewesene Situation, für die es keine Erfahrungswerte gibt. Auch wenn über das Virus relativ wenig bekannt ist, lässt die Beobachtung der erfassten Infektionsfälle einige Rückschlüsse auf den Verlauf der Epidemie zu.
Die anfängliche Entwicklung von der exponentiellen Ausbreitung bis zur Phase der Verlangsamung in China, begründete die anfängliche Robustheit der Märkte. Doch seit Februar sind andere Länder als China in die Phase exponentieller Ausbreitung eingetreten und trugen das Schreckgespenst der Epidemie ins Zentrum der westlichen Welt.
Die mit dieser Art von Risiko verbundene emotionale Belastung ist, wenn es näher kommt, imstande, heftige Stressreaktionen in der öffentlichen Meinung auszulösen. Diese übt wiederum erheblichen Druck auf Regierungen und Unternehmen aus, damit Vorkehrungen getroffen werden, die zweifelsohne hilfreich, für die Wirtschaft jedoch verheerend sind.
Phasen der Panik sind das Spiegelbild von Phasen der Euphorie: Sie basieren auf Tatsachen, die dann in extreme Erwartungen gesteigert werden. Bevor wir uns den Folgen zuwenden, erscheint es durchaus zweckmäßig, die jüngste Entwicklung richtig einzuordnen.
Ein wesentlicher Punkt ist, dass diese Krise einen externen Schock darstellt wie die Anschläge vom 11. September 2001, Fukushima 2011 und kein endogener Schock ist, wie die Krise von 2008, dessen Lösung naturgemäß äußerst langwierig und schwierig ist.
Sofern diese Gesundheitskrise nicht außer Kontrolle gerät, kann sie aus unserer Sicht daher ungeachtet ihrer Wucht als vorübergehende Erscheinung angesehen werden, und es können bereits Überlegungen zur wirtschaftlichen Lage danach und zu den Folgen für die Märkte angestellt werden.
Vor fünf Monaten nahmen die großen Zentralbanken, allen voran die US-Notenbank, über sehr niedrige Zinssätze und weitere Geldschöpfung die Stützung der Märkte wieder auf. Diese Dynamik hatte die Märkte auf historische Höchststände getragen.
Die Kehrseite dieser außergewöhnlichen Maßnahmen ist nun der Widerwille der Fed, ihre Anstrengungen noch weiter zu verstärken. In Anbetracht einer durch die Pandemieangst gelähmten Wirtschaftsaktivität fallen die Märkte in ein besonders tiefes Loch, bis Druck für neuerliche koordinierte geldpolitische Interventionen aufkommt.
Gesamtwirtschaftlich betrachtet wird Europa aufgrund seiner engen Verzahnung mit China stärker getroffen als die USA. Auch bei einer raschen Lösung des Gesundheitsproblems wird Europa mehr als die stärker abgeschottete US-Wirtschaft von der Dynamik abhängig sein, die China seiner Wirtschaft wieder zu verleihen vermag.
China entschied sich für eine radikale Eindämmung des Ausbreitungsrisikos und opferte hierfür seine Wirtschaftsleistung im ersten Quartal. Aufgrund fehlender Umsätze werden viele Unternehmen mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben.
Es wird zweifelsohne zu den Prioritäten der chinesischen Regierung gehören, diese Tausende von KMU finanziell zu unterstützen. Aber aufgrund starker innerer und äußerer Zwänge befürchten wir in diesem Stadium, dass die Konjunkturmaßnahmen relativ enttäuschend und viel weniger wirkungsvoll sein werden als die Anreize im Jahr 2003 nach der SARS-Epidemie.
Wirtschaftlich und finanziell betrachtet haben die USA einen doppelten Vorteil: Ihre Wirtschaft ist relativ gering mit China verzahnt und sie profitiert von einem Kapitalfluss in US-Staatsanleihen, die als unumgänglicher sicherer Hafen gelten.
Diese Entwicklung begünstigt den Rückgang der US-Renditen, der sich teilweise auf die Hypothekenzinsen überträgt, und ermöglicht somit günstige Bedingungen für den Konsum in den USA. An den Börsen dürfte dieser Vorteil zudem eine fortgesetzte Outperformance der großen US-Wachstumstitel bewirken, die seit zehn Jahren vorwiegend durch die Robustheit ihrer Geschäftsmodelle in einem Umfeld schwachen Wachstums und sehr niedriger Zinssätze begründet ist.
Wie zuvor bereits erwähnt, zögert die Fed, ihre Geldpolitik kurzfristig noch weiter zu lockern. Überdies würde die Gefahr eines nachhaltigen Angebotsschocks, der den Nachfrageschock überlagern würde, nicht nur geldpolitische, sondern auch haushaltspolitische Abhilfemaßnahmen erfordern.
Auch wenn die Instabilität der Märkte andauern sollte, solange sich der Verlauf der Epidemie außerhalb Chinas noch beschleunigt, wird mit einer Phase der Erleichterung gerechnet, wenn sich die gesundheitliche Lage wieder normalisiert. Die größte Herausforderung wird schon bald die Umsetzung wirkungsvoller geld- und haushaltspolitischer Maßnahmen sein, die den Schaden für Stimmung, Lieferketten und Investitionen beheben können.
Über die verstärkte Zuhilfenahme haushaltspolitischer Instrumente besteht in Europa noch lange keine Einigkeit und in China nur beschränkt. In den USA scheint sie jedoch keinem der Präsidentschaftsbewerber Angst zu machen. Daher dürfte in den USA verbunden mit neuerlicher geldpolitischer Stützung am ehesten mit Maßnahmen zu rechnen sein. Ein derartiges Szenario, das abzuwarten bleibt, könnte möglicherweise zum Preis einer spürbaren Abschwächung des US-Dollar eintreten.
Es liegt in der Natur des Menschen, nach dem Sturm Schutz zu suchen und zu bedauern, zuvor nicht mehr getan zu haben. Aber wenn die Gesundheitskrise sich wie erwartet als vorübergehender Schock erweist, ist es aus unserer Sicht eine geeignete Strategie:
(1) ein moderates Exposure in Aktien und Anleihen beizubehalten, das aktiv angepasst wird, um zumindest die Folgen der instabilen Märkte abzufedern;
(2) die Qualität und die Robustheit des Wachstums der Wertpapiere im Portfolio in allen Szenarios sicherzustellen;
(3) Arbitrage-Chancen zu ergreifen, die sich bei Marktverzerrungen, insbesondere im Anleihensegment, ergeben könnten;
(4) sich in Vermögenswerten mit Korrelation zum Goldpreis zu positionieren, um die Portfolios abzusichern, falls der innere Wert des Dollar sinkt.
Quelle: Carmignac, Bloomberg, 29.02.2020