Carmignac – Ausblick auf das 1. Halbjahr 2025

Veröffentlicht am
10. Dezember 2024
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6 Minuten Lesedauer

Wer hat Angst vor den „Bond Vigilantes“?

  • Die Populisten hatten im Superwahljahr die Nase vorn, doch die haushaltspolitische Realität wird ihnen einen schweren Dämpfer versetzen.
  • Die Anleihenmärkte werden – insbesondere in den USA – die Inflationsversprechen einem Realitätscheck unterziehen.
  • In der Eurozone besteht die Sorge über einen möglichen Ansteckungseffekt der gegenwärtigen politischen Krise in Frankreich, und in China wird der fehlende politische Wille zu substanziellen Konsumanreizen das Wachstum weiterhin auf Sparflamme halten.
  • Die Rückkehr der „Bond Vigilantes“, also der Anleihenwächter, könnte zu regionalen Umschichtungen in den Portfolios führen, was eine Diversifikation erfordert.
  • Bei Aktien sehen wir Chancen für neuerliche Engagements in unterbewerteten europäischen Titeln und bei „Trump-Freunden“.
  • Bei festverzinslichen Anlagen erscheinen kurzfristige Investment-Grade-, Hochzins-Unternehmens- und inflationsindexierte Anleihen attraktiv.

Konjunkturperspektiven – Raphaël Gallardo, Chief Economist

2024 war das Superwahljahr, in dem fast 40 % der Weltbevölkerung – auf die 60 % des globalen BIP entfallen – den Gang zu den Urnen antraten. Obwohl sich die bislang amtierenden Regierungen die heterodoxe Politik ihrer Gegner teilweise zu eigen gemacht hatten, wurden 80 % von ihnen von der globalen populistischen Welle hinweggespült. Nach drei Jahrzehnten zunehmender Ungleichheiten und einer Quasi-Stagnation des realen Medianeinkommens war die Rückkehr der Inflation in den Jahren 2021–2023 der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und die Wähler zur Abkehr von der im Washington-Konsens verankerten marktfreundlichen Orthodoxie veranlasste.

Im Jahr 2025 werden populistische Politiker, die nicht zuletzt wegen ihrer Anti-Inflations-Kampagnen gewählt wurden, mit den haushaltspolitischen Realitäten konfrontiert werden: Eine hartnäckige Inflation (ein globales Phänomen, von dem China nicht betroffen ist) und nicht tragfähige fiskalische Maßnahmen werden die realen Kreditkosten weiter in die Höhe treiben und die Devisenmärkte extrem nervös machen. Die Populisten erwartet eine Kostenabrechnung, die die Geduld der sogenannten Bond Vigilantes auf die Probe stellen wird, zumal alle großen Zentralbanken ihre Bilanzen verkleinern und damit die Liquidität verringern, die zur Verfügung steht, um ein reibungsloses Funktionieren der Anleihenmärkte zu gewährleisten. Sollten diese mächtigen Anleger aus Protest gegen eine offensichtlich nicht nachhaltige Haushaltspolitik mit dem Verkauf ihrer Bestände beginnen, wird die dann zu erwartende Anleihenflut die Kreditkosten nach oben und die Wechselkurse nach unten treiben, mit der Folge einer negativen Rückkopplung mit der Inflation und der Realwirtschaft.

Die Rückkehr des „Chefpopulisten“ Donald Trump wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sofortige Verschärfung der Migrationspolitik und die Einführung von Zöllen nach sich ziehen, was die Angebotsseite der US-Wirtschaft beeinträchtigt. Umgekehrt wird die Aussicht auf Deregulierung und Steuersenkungen die Binnennachfrage ankurbeln. Damit wird zwar die Wirtschaft weiterhin um etwa 2,5 % wachsen, aber die Inflation bleibt hartnäckig oberhalb des Zielwerts und die realen Kreditzinsen steigen, insbesondere für einkommensschwache Haushalte. Dieses „nicht-inklusive“ Wachstum wird die Unzufriedenheit in der Gesellschaft, welche die Wähler für Trump stimmen ließ, noch verstärken. Trump ist sich seiner politischen Verwundbarkeit im Repräsentantenhaus (wo die Mehrheit nur hauchdünn ist) bewusst und wird sich daher veranlasst sehen, seine Wahlversprechen in Bezug auf Steuersenkungen und eine Wiederbelebung der Industrie auch tatsächlich zu erfüllen. Hier werden ihn jedoch der gesättigte Anleihenmarkt und der durch die Nasdaq beflügelte starke Dollar in die Schranken weisen. Aus dem Populisten wird dann ein Disruptor.

Wie Franklin D. Roosevelt, Nixon und Reagan vor ihm wird auch Trump versucht sein, die externen und fiskalischen Fesseln zu lockern und einen gewissen politischen Spielraum zu schaffen, indem er die Kosten der Neuausrichtung auf den Rest der Welt abwälzt, sei es durch eine Abwertung des Dollars (Plaza II) oder durch finanzielle Repressionen gegenüber seinen Verbündeten (Ausgabe von Kriegsanleihen an seine NATO+-Partner). Als letztes Mittel könnte Trump versuchen, der Fed ihre Unabhängigkeit zu nehmen.

Was die Eurozone betrifft, so wird der politische und fiskalische Kurs Frankreichs im nächsten Jahr wohl den wichtigsten Einflussfaktor darstellen. Gelingt es der politischen Klasse Frankreichs nicht, die Verschlechterung der Staatsfinanzen umzukehren, könnte sich die institutionelle Krise angesichts der hohen Gewichtung französischer Staatsanleihen in internationalen Portfolios und der großen globalen Präsenz französischer Banken zu einer Finanzkrise mit weltweiten Auswirkungen auswachsen. Vor allem aber ist die aktuelle Misere eine Bestrafung der Europäischen Union dafür, dass sie es in 25 Jahren nicht geschafft hat, Mechanismen zur Haushaltsdisziplin in den Mitgliedstaaten des Euroraums durchzusetzen – eine unabdingbare Voraussetzung für eine zukunftsfähige Währungsunion. Die Unregierbarkeit des Landes bedeutet, dass es vorerst nicht durch die nach der Griechenlandkrise geschaffenen Schutzmechanismen (ESM, OMT, TPI) aufgefangen werden kann. Infolgedessen könnten erneut Zweifel an der Stabilität des Euro-Konstrukts aufkommen. Anders als die Vereinigten Staaten, die in ihrer eigenen Währung verschuldet sind und ihre Militärmacht monetarisieren können, kann Frankreich weder seine Schulden entwerten noch seine Währung abwerten. Die Last der fiskalischen Anpassung werden die Realwirtschaft und insbesondere der Arbeitsmarkt zu tragen haben.

Kommen wir zu China: Das Land steht bereits am Rande einer Schuldendeflation, d. h. einer Japanifizierung, hält aber an reaktiven „De-minimis“-Konjunkturanreizen fest und weigert sich aus ideologischen Gründen, Maßnahmen zur Ankurbelung der Verbraucherausgaben zu ergreifen. Die Stabilisierung der Immobilienpreise in den Tier-1-Städten reicht nicht aus, um den Wohnungsbau auf nationaler Ebene anzukurbeln. Priorität hat für Xi der Aufbau einer sanktionssicheren, exportorientierten Wirtschaft im Technologiebereich. Die schier allumfassende Überwachung der Bevölkerung ermöglicht es der Regierung, das politisch akzeptable Maß an gesellschaftlicher Frustration zu erhöhen. Werden auf den Parlamentssitzungen im März keine konkreten Anreize angekündigt, müssen wir in Bezug auf die chinesische Wirtschaft weiterhin Vorsicht walten lassen.

Anlagestrategie – Kevin Thozet, Mitglied des Investment Committee

Die globalen Märkte haben nach der Wahl rasch einen weiteren amerikanischen Exzeptionalismus eingepreist, während Aktien aus Europa und den Schwellenländern am unteren Ende ihrer historischen Bewertungsspanne gefangen scheinen. Die Rückkehr der Bond Vigilantes und der Übergang der USA vom Exzeptionalismus zur Disruption könnten Katalysatoren für eine weitreichende Rotation auf regionaler Ebene darstellen. In diesem Umfeld bevorzugen wir:

Breit gefächertes und gemischtes globales Aktienexposure

Wir erwarten zu Beginn des neuen Jahres eine Outperformance der USA (aufgrund des Effekts von Trump II auf das Verbrauchervertrauen und die Konsumausgaben sowie auf die Unternehmen mit den höchsten effektiven Steuersätzen (d. h. KMU)). Inflationssorgen und eine steilere Renditekurve könnten die Anleger jedoch dazu veranlassen, die außergewöhnlich hohen Bewertungen von US-Aktien infrage zu stellen. Was den Rest der Welt betrifft, sollte man weder den Spielraum der chinesischen Behörden für weitere Lockerungsmaßnahmen noch die Fähigkeit der europäischen Behörden, in Zeiten einer existenziellen Krise entsprechend zu reagieren, außer Acht lassen.
Daher könnten konträre Ansätze die Oberhand gewinnen, wenn lokale politische Entscheidungsträger gezwungen sind, zu reagieren.

Im Basisszenario für die USA gehen wir davon aus, dass ausländische Direktinvestitionen in den Markt angesichts der angedrohten Zölle zunehmen. Allerdings sind andere Szenarien nicht ausgeschlossen, wie etwa ein zweites Plaza-Abkommen, das Auflegen von „Bessent“-Anleihen, die den Klientelstaaten aufgezwungen werden, oder eine Dominanz der Fiskalpolitik.

Unterdessen hat die weit verbreitete pessimistische Stimmung gegenüber Europa zur Folge, dass einige hochwertige Vermögenswerte – die weniger von wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit betroffen sind – mit Abschlägen im Vergleich zu ihren amerikanischen Pendants erworben werden können und somit eine hervorragende Möglichkeit zur Diversifikation von Portfolios bieten.

In Anbetracht dessen, was auf dem alten Kontinent geschieht – oder vielmehr nicht geschieht – erwarten wir zwar kein übermäßiges Wachstum, dennoch könnten verschiedene Faktoren europäischen Aktien in die Hände spielen. Die Aktien vieler global führender Unternehmen sind zu sehr niedrigen Kursen zu haben. Dies ist insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt oder der Elektrifizierung der Fall, die von langfristigen strukturellen Triebkräften profitieren und daher weniger vom Wirtschaftswachstum abhängig sind. Hier finden sich europäische und US-Unternehmen, die zwar bei den Margen, beim erwarteten Wachstum des Gewinns pro Aktie und bei den Umsätzen in Dollar ähnlich abschneiden, aber gemessen an verschiedenen Bewertungskennzahlen Unterschiede von 20-30% aufweisen. Ähnliche Beispiele finden sich in den Sektoren Nicht-Basiskonsumgüter, Pharmazeutika und Basiskonsumgüter, wo europäische Unternehmen mit soliden Fundamentaldaten zwar im Hinblick auf die erwarteten Eigenkapitalrenditen durchaus mit ihren US-Pendants vergleichbar aber bei der Bewertung weit abgeschlagen sind.

Eine Auswahl an „Trump-Freunden“

Im Rest der Welt gibt es eine Auswahl an bislang unbeachteten Vermögenswerten, die nun als „Trump-Freunde“ ebenfalls für ein Engagement in Frage kommen. Wir sehen Chancen in Ländern, die sich in einer besonderen Situation befinden und bereits mit Bond Vigilantes zu kämpfen hatten und in denen bedeutende Reformen und politische Wenden inzwischen Wirkung zeigen. Dazu zählen Länder wie Argentinien (wo sich die Inflation vom dreistelligen in den zweistelligen Bereich bewegt), die Türkei (wo die realen Renditen allmählich wieder in positives Terrain vordringen) oder Ecuador (wo die Kombination aus Reformen und Unterstützung durch internationale Institutionen Früchte trägt). Darunter fallen aber auch besser abgedeckte Länder wie Japan (wo die Stärkung der Währung und die Straffung der Geldpolitik sowohl vom designierten US-Präsidenten als auch von der globalen Anlegergemeinschaft positiv aufgenommen werden dürften) und Indien (das sich eines positiven langfristigen Wachstums erfreut und zuletzt rückläufige Aktienbewertungen verzeichnet hat).

Hoher Carry und flexible festverzinsliche Anlagen

Angesichts der weltweit steigenden Staatsverschuldung und Defizite bedeutet dies, dass es 2025 außerhalb der USA hauptsächlich die Zentralbanken und nicht die Regierungen sein werden, die die Wirtschaft stützen müssen. Dies begünstigt jene Segmente im Anleihenbereich, in denen vorhersehbare Erträge („Carry“) gleichzeitig den besten Indikator für potenzielle zukünftige Renditen und den besten Schutz vor den Auswirkungen schlechter Nachrichten bieten. Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir kurzfristige Investment-Grade-Unternehmensanleihen, bei denen eine potenzielle Ausweitung der Kreditspreads durch die Senkung der Zinsen mehr als ausgeglichen würde, sowie Hochzinsanleihen mit günstigen Merkmalen in einem Umfeld, in dem die Nettoemissionen negativ ausfallen und voraussichtlich auf eine kontinuierliche Nachfrage vonseiten der Anleger in den kommenden Quartalen treffen.

Wir machen größtenteils einen Bogen um Staatsanleihen aus den Industrieländern, die trotz der gegebenen Umstände nur magere Renditen bieten.
Schließlich veranlassen uns die Form der Zinskurve (inverse bis flache Struktur) und die sich weiterhin stellende Inflationsfrage dazu, Anleihen, die an Realzinsen gekoppelt (d. h. inflationsgebunden) sind, den Vorzug vor Nominalanleihen zu geben.

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